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                                       Freue dich, Stadt Jerusalem!

                                       Seid fröhlich zusammen mit ihr,

alle, die ihr traurig wart.

Freut euch und trinkt euch satt

an der Quelle göttlicher Tröstungen.

(vgl. Jes 66,10-11)

Wie von einem anderen Stern – so könnte ich mir vorstellen – klingt für Sie heuer dieser Eröffnungsvers des „Laetare-Sonntag“ (Freue dich!), den wir an diesem Wochenende begehen.

Tag für Tag haben wir Hiobsbotschaften empfangen, und ein Blick nach Süden über die Alpen in unser geliebtes Ferienland Italien macht einen sprachlos und lässt nur eines zu: dass wir ihnen von Herzen wünschen – und dafür beten!! -, dass sie es bald überstanden haben. Nüchtern betrachtet werden sie es und werden auch wir es überstehen, es ist nur die Frage: Zu welchem Preis!

Viele nehmen die Mahnungen nicht ernst, weil sie sich – so scheint mir – von einem Wunschdenken steuern lassen: „‘s wird schou nert su oarch werdn!“ Gestern Abend habe ich eine ausführliche Erklärung zu den geschätzten Zahlen und ihren Begründungen gelesen, die mich sehr nachdenklich machen und zeigen, wie wichtig es ist, den Ansteckungsquotienten zu drücken; schlussendlich wurde mir klar: es liegt in unserer Hand, ob sich bis Ende April ein Supergau von 8 Millionen Angesteckten bei uns abspielt oder ob wir die Zahl auf 25.000 begrenzen können, wenn wir unsere Sozialkontakte auf die Medienebene begrenzen, durch die wir niemanden anstecken können, aber aufbauen.

Genau dies möchte ich mit diesen Zeilen!

Auch wenn wir sozusagen „mitten drin sind“: Ist nicht der Eröffnungsvers solch ein Hoffnungs-Anker, wie es am Ende ausgehen wird. Eines möchte ich ganz besonders betonen: Dieser Virus-Gau ist eine natürliche Angelegenheit und hat wohl eine ganze Reihe von natürlichen Voraussetzungen, die seine so rasante Ausbreitung ermöglichen.

Aber es handelt sich dabei nicht um eine Strafe Gottes!! Was wäre das für ein Gott der Liebe und der zuneigenden Nähe? Sie, die göttliche Liebe und Nähe sind für mich die Quelle göttlicher Tröstungen; sowenig uns Gott in Jesus Christus und auch als sein Vater am Karfreitag im Stich gelassen hat, so wenig hat er sich von uns zurückgezogen. Eher ist es umgekehrt: Haben wir ihn nicht über eine lange Zeit persönlichen und gesellschaftlichen Wohlstands links liegen lassen? Haben uns die Finanzkrise der Diözese und der Missbrauchsskandal der Kirche nicht zu billigen Ausreden gedient, „mit dem Bad das Kind auszuschütten“? Wenn ich mir den Altersdurchschnitt und die Zahl der Gottesdienstbesucher am Werktag anschaue, dann muss ich John Henry Newman rechtgeben, der eine Abgrenzung der Leidenschaft oder der Begierde, des Bereichs der rohen Kraft und der materiellen Mittel, des Verstandes und anderer Kräfte in uns vom Bereich der Tugenden feststellt.

Diese Abgrenzung geschehe schon in den ersten selbständigen Geistesregungen der Jugendzeit, in der der Jugendliche die Tugenden als das Endprodukt der Moral betrachtet und diese gleichsam als Pflichterfüllung deklariert, alles andere als Folge seiner freien Vernunftentscheidung. So bekommt alles, was mit Tugend und Werten zu tun hat, den Stempel des Geistlosen ab, alles andere den der Selbstverwirklichung in der persönlichen Entfaltung. Aber drängen uns die über 400 Toten an einem einzigen Tag in Italien nicht die Frage auf: Ist meine Selbstverwirklichung im Genuss des Momentes und des Materiellen schon mein ganzes Leben? Oder grenze ich nicht das Wesentliche des Lebens in der Verantwortung und Liebe für und des Dienstes an dem Nächsten als etwas tief Erfüllendes aus. Jesus sagt uns eindeutig, dass unser Leben nach unseren Taten bemessen wird. Und in der Blindenheilung (im heutigen Evangelium) zeigt er im übertragenen Sinne auch unserer Gesellschaft, wo das wahre Licht der Welt ist.

Lädt uns nicht auch die erste Lesung, die Berufung des David zum König zu einem radikalen Umdenken ein? Wie wir dachte Samuel menschlich, allzu menschlich und hatte nur ein Auge auf das Äußerliche, die Statur und das Erscheinungsbild seines Gegenübers und erschloss sich daraus die Fähigkeiten des Kandidaten, doch Gott erwählte sich den „Unreifsten“, jenen, der noch offen war für die göttlichen Impulse, das Königsamt als Dienst auszuüben. Interessanterweise verwirft Gott den König David, von dem es in der heutigen Lesung heißt: „Und der Geist des Herrn war über David von diesem Tag an“, als er sich gegen diesen Geist entscheidet, und seine Macht missbraucht, seinen Begierden nachzugehen.

Nützen wir diese Tage, in den das öffentliche Leben zum Erliegen gekommen ist und wir nicht mehr von einem Stress in den nächsten getrieben werden, um uns das vorzunehmen, was wir vor uns hergeschoben haben. Als Familien können wir jetzt von früh bis spät eine Gemeinschaft bilden, auch eine Hauskirche, die den Tag mit Gebeten umrahmt und ordnet. Der indische Jesuitenpater Anthony de Mello mahnt in seinem Exerzitienbuch „Gott suchen in allen Dingen“, sich feste Gebetszeiten zu reservieren. Jeder, der betet, wenn es ihm danach ist, wird die Erfahrung machen, dass sein Gebet immer weniger wird; letztendlich muss er dann ganz neu von vorne anfangen.

Beten Sie mit mir:

„Gott, uns liebender Vater,

schenke uns deine geistige Nähe in diesen Tagen,

in denen sich so viele in ihrer Krankheit

und in ihrer Pflegebedürftigkeit einsam fühlen.

Stärke alle Ärzte und Pfleger und schütze sie;

ihr Dienst bedeutet für viele – so hoffen wir –

Genesung und Heilung an Leib und Seele.

Schenke uns offene Augen und Ohren für jene,

die auf Unterstützung und Hilfe angewiesen sind.

und gib uns für unsere Familien die Kraft,

dein Gebot der Liebe in einem guten Miteinander

aufleben zu lassen.

Alle aber, die von uns scheiden,

führe in Dein Reich des Lichtes und des Friedens

durch Christus, unseren Herrn. Amen.