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Predigt

am 8.11.20 / 32. So. i. Jkr. / A

in Sp, Th u Sp

Lesung:  1 Thess 2,7b-9.13

Evang:   Mt 23,1-12

Zielsatz:

 

 

„Nimm alles von uns, was uns auf dem Weg zu dir aufhält, damit wir

 

ungehindert der Freude entgegeneilen, die du uns verheißen hast …“

 

heißt es im heutigen Tagesgebet.

 

Können wir zu dieser Bitte „ja“ und „Amen“ sagen? „Nimm alles von uns, was uns auf dem Weg zu dir aufhält!“ Mich erinnert dieses Wort an Ijob, der – als Gott der Versuchung des Teufels zustimmte – alles verlor, was man sich nur vorstellen kann: Seine Frau, seine Kinder, sein Haus, seinen Besitz, seine Gesundheit u. u. u.; sehnen wir uns wirklich so nach der Gemeinschaft mit Jesus, dass wir auf all das verzichten könnten, ohne dass wir mit unserem Schicksal hadern würden, dass wir also Jesus nicht zur Rechenschaft ziehen würden?

Neulich schrieb mir eine Bekanntschaft eine Whatsapp mit der Aussage: Momentan kann ich nicht beten!

Ich konnte darauf nur antworten: das kann ich ganz gut verstehen. Unser Gebet ist normalerweise von kleinst auf ein mehr oder weniger gereimtes positives Gebet, das wir sogar im Traum beherrschen. Und deshalb befragen wir es kaum nach seinem Inhalt und darüber, ob es unserem Inneren, unseren Gefühlen entspricht. Um das meinen frischgebackenen Eltern im Taufgespräch klar zu machen, die ich ja im Taufgespräch bitte, mit ihren Kindern zu beten, nehme ich meist das Kindergebet: „Jesukindlein, komm zu mir …“ als Anschauungsmaterial her. Dort betet doch das Kind u. a.: „… mein Herz ist klein, kann niemand hinein (!), als du mein liebes Jesulein!“ Im Herz der Kinder ist also kein Platz für ihre Eltern. Wünschen sich das die Kinder? Wünschen sich das ihre Eltern? Spiegelt dieses Gebet also die Wirklichkeit in unseren Familien wider?

Dass man unmittelbar nach einer Hiobsbotschaft nicht mehr wie die Jahrzehnte zuvor beten kann, ist doch glasklar. Da haut einem der Chefarzt die Ergebnisse vieler Untersuchungen um die Ohren, die erhärten, was vorher schon mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu befürchten war! In solch einer Situation kann ich doch nur noch beten:

„Herr, ich bin tief erschüttert und getroffen,

habe Angst und sehe kein Land mehr.

Ich weiß im wahrsten Sinne des Wortes nicht mehr,

wie es weitergehen soll

und befürchte, dass das ganze Heilungsprogramm nichts anderes ist als ein Hinausziehen

meines Todeskampfes und Sterbens.

Ich frage mich: wo bist Du, der uns liebende Gott?

Sicher, Du warst auch auf dem Kreuzweg Jesu Deinem Sohn nahe. Aber das ist für mich jetzt nur ein Strohhalm reiner Gedanken, die nicht von meinem Empfinden gedeckt sind.

Zeige Dich mir, Herr,

gib mir zu verstehen und auch das Gefühl, dass Du mir auch in meiner Krankheit und meiner Ohnmacht,

in meiner Sorge und Hoffnungslosigkeit nahe bist und mich auch in dieser meiner Erbärmlichkeit liebst. Und erfülle mir meinen Wunsch nach Genesung. Amen.“

Damit, lb. Brüder und Schwestern, eilen wir m. E. noch nicht ungehindert der Freude entgegen, die Gott uns verheißen hat. Was muss dazu noch geschehen? Ich sag’s mal so: Solange mein Beten ein tägliches Ritual von Vorgegebenheiten ist, kommt es noch nicht zu einer lebendigen Beziehung zu Jesus, durch den wir uns an seinen Vater wenden. Es bedarf also der Erwartung und es bedarf auch unseres eigenen Standpunktes: Was will ich eigentlich? Um was bitte ich heute, jetzt, in diesem Moment meinen Herrgott?

In der Lesung hörten wir: dass die Thessalonicher entschieden und in der Erwartung des Herrn lebten. Um das Jahr 50 kam der hl. Paulus mit seinem Begleiter Timotheus und anderen Missionaren nach Thessaloniki – und sie hinterließen einen überragenden Eindruck. Ja, sie lebten ihnen gelebtes Christentum vor, arbeiteten Tag und Nacht und erzählten dabei von Jesus und dem, was sie von ihm gehört hatten. Wer hätte auch fesselnder von der Auferstehung Jesu berichten können als ein Saulus, der zum Paulus geworden ist, gestreift vom Licht, vom Geist und der Liebe des Auferstandenen. Doch dann mussten sie Hals über Kopf in einer Nacht und Nebelaktion davon, weil ihnen nachgestellt wurde. Von Athen aus schickte Paulus dann Timotheus wieder nach Thessaloniki zurück, um von ihm beim Zusammentreffen in Korinth zu erfahren, wie’s um die junge Gemeinde stand. Dann griff er zur Feder und schrieb ihnen: voll Dankbarkeit erinnere er sie an die Zeit der Gründung, dann mahnte er sie zur Heiligung ihres Lebens und versicherte ihnen, dass unsere christliche Hoffnung auch den bereits Verstorbenen gelte: „… wir, die Lebenden, werden den Verstorbenen nichts voraus haben …“ Für alle kommt es zur Begegnung mit dem Herrn. Das ist nichts Erdachtes, sondern Wirklichkeit. In dieser persönlichen Begegnung schauen wir dem Herrn in die Augen und er in die unseren. Es ist der Blick der göttlichen Barmherzigkeit! Ein Blick, der uns sagt: „Komm, trau dich! Ich hole dich zu mir. „Dann werden wir immer beim Herrn sein!“ (V.17) Dann ist all unser Leben mit seinen vielen Einzelheiten, mit all unseren Höhen und Tiefen, vollendet. Dann sind wir in Gottes Ewigkeit endgültig angekommen.

Spüren Sie, was diese Worte, die die Thessalonicher – wie der hl. Paulus bestätigt – als Gottes Wort, was sie wirklich sind, mit uns machen? – 2000 Jahre alt! Worte des lebendigen Gottes, die auch in uns wirken. Das II. Vatikanische Konzil sagt uns im 7. Artikel seiner Konstitution über die heilige Liturgie, wie Jesus in ihr uns begegnet und nahe ist: er ist uns nahe „… in der Person dessen, der den priesterlichen Dienst vollzieht, er ist uns nahe … unter den eucharistischen Gestalten, er ist uns nahe … in seinem Wort und dann … wenn die Kirche betet und singt.“ (SC 7).

All diese Weisen der Gegenwart Christi sind kein Gedankenkonstrukt, sondern Wirklichkeit! Und damit begegnen wir in jeder Feier der hl. Messe dem lebendigen, auferstandenen Herrn – wenn wir nur seiner verheißenen Freude entgegengehen wollen! Amen.