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„So aber sollt ihr es essen: eure Hüften gegürtet, Schuhe an den Füßen, den Stab in der Hand. Esst es hastig! Es ist die Paschafeier für den Herrn.“ (Ex 12,11)

Zwei Zeitebenen treffen sich hier in der Beschreibung der Paschafeier:

da ist zum einen die Beschreibung des sich damals als einmaliges Geschehen ereignenden Auszugs aus dem Sklavenhaus Ägypten und zum anderen die Beschreibung, wie Israels Nachfahren, Generation um Generation bis herauf in die Gegenwart dieses Fest sich wie einen nachgespielten Film vergegenwärtigen soll. Die Anweisungen für die jährliche Durchführung des Paschafestes bilden somit einen in dem ursprünglichen Geschehen verankerten Ritus. Welche Bedeutung diesem damaligen Geschehen zukommt, zeigt er soll euch als der erste unter den Monaten des Jahres gelten.“ Denn er ist ein besonderer Monat des Heils, an dem der Plan Gottes - sein Volk aus der Sklaverei uns der Vers 2 der Lesung: „Dieser Monat soll die Reihe eurer Monate eröffnen, heraus- und ins gelobte Land hineinzuführen – seinen Anfang nahm. „Diesen Tag sollt ihr als Gedenktag begehen. Feiert ihn als Fest zur Ehre des Herrn! Für die kommenden Generationen macht euch diese Feier zur festen Regel!“ (V.14)

Von dieser Bestimmung her bekommt der heutige Tag seine Bedeutung, zumal ihn Jesus mit seinen Jüngern begangen hat. Aber wie hat Jesus ihn gefeiert? Seit der Aufklärung und den Tagen der Leben – Jesu – Forschung eines Renan wird vieles, was man sich nicht erklären kann oder Erfahrungen sich als vergleichbare Gedanken zu anderen Religionen darstellen lassen, mit dem Mantel der Mythologie überzogen und als unglaubwürdig hingestellt. So schreibt ein Loisy, trotz der in allen Evangelien überlieferten Verleugnung des Petrus: „Die Behauptung vom Verrat des Petrus ist erfunden, und wahrscheinlich hat man sich dies in der Partei des Paulus ausgedacht, um das Oberhaupt der galiläischen Apostel herabzusetzen“ – eine These, die völlig absurd und unhaltbar ist. Auch wenn jeder Evangelist für ein spezifisches Klientel – wenn ich so sagen darf – seine Verse niederschreibt, so verbindet doch alle die Frohe Botschaft vom Messias, der gekreuzigt und auferstanden ist – mit der Motivation, allen Berichten der Augenzeugen und der Diener des Wortes sorgfältig nachzugehen, wie Lk bekundet. Im Unterschied zu uns und so manchem neuzeitlichen „Experten“ verstanden die Evangelisten die Anspielungen auf so manche jüdische Vorstellung. 2 Beispiele dazu: Als Jesus beim Abendmahl davon spricht, dass ihn einer der Zwölf, der mit ihm aus derselben Schüssel isst, verraten wird, entgegnet Petrus, dass er – auch wenn alle an Jesus Anstoß nehmen würde – dies nicht täte. Darauf antwortet ihm Jesus: „Amen, ich sage dir: Noch heute Nacht, ehe der Hahn zweimal kräht, wirst du mich dreimal verleugnen.“ (Mk 14,30) Wenn Jesus den Hahn wählt, greift er zum Symbol, das der erste Lobpreis des Morgengebets aufgreift: „Gepriesen seist du, Herr, unser Gott, König der Welt, der Du dem Hahn die Einsicht geschenkt hast, die Nacht vom Tage zu unterscheiden.“ Die Nacht steht hier im übertragenen, hintergründigen Sinne der Finsternis, wie Qumran und das Joh-Evangelium davon sprechen. Der Hahn durchschaut die Werke der Finsternis – so scheint Jesus dem Petrus nonverbal anzudeuten -, Du aber nicht, den ich zum Felsen meines neuen Hauses Israel ausersehen habe.

Als 2. Beispiel soll die Nacht vor der Pascha-Feier angeführt werden, Leyl Schimurin, „die Nacht des Schutzes“, in der Jahwe seinen mächtigen Arm über sein Volk Israel gehalten hat. „Doch Leyl Schimurin beutetet auch und vor allem“ – wie Shalom Ben-Chorin ausführt – „die Nacht des Wachens. In dieser Nacht muss Israel es seinem Gott gleichtun, von dem geschrieben steht. ‚Nein, der Hüter Israels schläft und schlummert nicht‘ (Ps 121,4) Dadurch wird doch die Beschreibung des Evangelisten Markus bestätigt, der Jesus die drei Säulen Petrus, Jakobus und Johannes dreimal ermahnen lässt, weil sie aus Erschöpfung eingeschlafen sind. Wir dürfen also die Andeutungen des Mk in seiner Passion ernst nehmen, dass der Herr zwei seiner Jünger nach Jerusalem vorausschickte, damit sie das Paschamahl vorbereiteten. Da die einjährigen Lämmchen bereits am 10. Nissan im Tempel geschlachtet werden, stand also eines für sie am Abendmahlsabend zur Verfügung.

Die Pascha-Feier läuft dreigeteilt ab:

a) Im Unterschied zu den anderen Feiern geht man in der Paschafeier gleich in den Festsaal und legt sich nach hellenistischem Vorbild auf sein Polster. Am Anfang sprach der Hausherr ein doppeltes Segensgebet (beraka) über den mit Wasser gemischten Wein und den Tag:

„Gepriesen seist Du, Jahwe, unser Gott, König der Welt,

der die Frucht des Weinstocks schafft.

Gepriesen seist Du, Jahwe, unser Gott, König der Welt,

der seinem Volk dieses Fest der ungesäuerten Brote

zur Freude und zum Gedächtnis gegeben hat.

b) Zur Eröffnung des zweiten Teiles wurde das Lamm aufgetragen. Das Lamm war Symbol der Unschuld, der Demut, des geduldigen Leidens, der stellvertretenden Sühne (dieser Gedanke sollte dann bei den Einsetzungsworten des Mt besonders hervorgehoben werden – „zur Vergebung der Sünden!) Es ist ein Ganzopfer, dem kein Knochen gebrochen werden darf. Sein Blut schützt vor Tod und Verderben und reinigt von Sünden.

Nach dem Einschenken des 2. Bechers, (haggada-Becher) und nach dem Rezitieren von Ps 113 u 114, und dem Dank für die Erlösung, wurde der Becher getrunken, ungesäuertes Brot, Bitterkräuter und Fruchtmus gegessen. Das ungesäuerte „Elendsbrot“ (Dtn 16,3) erinnert an die Zeit der Knechtschaft in Ägypten, aber auch an die Befreiung des Volkes beim Exodus (Ex 34,18). Es galt als Brot, das erneuerte Fruchtbarkeit und neues Leben, sowie Gemeinschaft schenkt. Die Bitterkräuter erinnerten an die Bitternis der ägyptischen Knechtschaft. Der Wein ist das Geschenk, das Gott seinem Volk bereitet und an dem alle, die aus demselben Becher trinken, teilhaben. Er versinnbildet die Inbesitznahme des von Gott verheißenen Landes. Er ist Symbol für das Leben und die Versöhnung, für Freude und Trost, vor allem auch der messianischen Endzeit.

Am Beginn des Haupt- und Sättigungsmahls nahm der Hausvater dann einen Brotfladen und sprach den Segen:

Gepriesen seist Du, Jahwe, unser Gott, König der Welt,

der uns geheiligt hat durch seine Gebote

und uns ungesäuertes Brot zu essen geboten hat.

Nach dem Amen der Jünger brach der Hausvater das Brot und reichte allen ein Stück. Dazu sprach Jesus höchstwahrscheinlich sein Deutewort: „Nehmet, dies ist mein Leib.“ Dem folgte wohl die allgemeine Unterhaltung, die Jesus mit der Andeutung seines Verrates wohl wie mit einem Schwertschnitt beendete. Dann fügte er noch die Aufforderung zur künftigen Gedächtnisfeier an: „Tut dies zu meinem Gedächtnis!“ Ihm war also bewusst, dass er seinem Tod entgegengehen werde, wenn Gott nicht außerordentlich eingreifen wird.

c) Der Nachtischsegen und der „(Segens-) Becher

Nach einer Gebetseröffnung betet der Hausvater:

Gepriesen seist Du, Jahwe, unser Gott, König der Welt,

der die Welt ernährt in Güte, Wohlwollen und Erbarmen.

Gepriesen seist du, Jahwe, der die Welt nährt.

„Wir sagen Dir Dank, Jahwe, unser Gott,

dass Du uns ein liebenswertes Land zum Erbe gegeben hast, (damit wir uns

von seinen Früchten nähren und von seinem Ertrag sättigen.)

Gepriesen seist Du, Jahwe, unser Gott, für das Land und für die Speise.“

Jesus hat diese Gebete sicherlich persönlich ausformuliert.

Nach Messori sah das Ritual der Pascha – Nacht noch einen fünften Becher vor:

er wurde auf den Tisch gestellt und von niemandem ausgetrunken, weil er für den Propheten Elija bestimmt war, der vom Himmel zurückkehren sollte, um das Kommen des Messias anzukündigen. Und genau an diesen messianischen Becher denkt Jesus: ein Kelch, der von ihm geleert werden muss, von ihm ganz allein, und der die Schmerzen ankündigt, durch die der Gesalbte, der Messias, Israel erlösen wird. „Das ist der neue Bund in meinem Blut, das für Euch vergossen wird.“ Vor dem ihm allerdings auch angst ist: Vater, nimm diesen Kelch von mir; aber nicht mein Wille geschehe, sondern der deine.“

Nach diesem Verständnis feiern wir heute die Grundlage unseres Heils. Wir feiern das triduum paschale als ein für uns gegenwärtiges Ereignis. Wir feiern und vollziehen es als unser Pascha, als unseren Übergang zum Leben, den Gott geben will. „In der Nacht vor seinem Leiden nahm er beim Mahl das Brot, brach es, reichte es seinen Jüngern, und sprach: Nehmet und esset alle davon, mein Leib, der für Euch hingegeben wird.“ Indem wir es feiern, werden wir zu seinen Boten bis zum Ende der Welt. „Tut dies zu meinem Gedächtnis!“ „Bleibt meine Brüder und Schwestern, bis ich wieder von der Frucht des Weinstocks trinke im Reich der Himmel.“