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Hirte, Vater, Bräutigam - Der Pfarrer ist mehr als ein Verwalter

(Gedanken von Abbe Dedieux)

 

Wie viele Diskussionen in der jüngsten Zeit zeigen, sprechen wir oft recht oberflächlich und mit wenig dynamischen Begriffen über Pfarreien u. Pfarrer. Was ist eine Pfarrei? Was ist ein Pfarrer?

Dedieux meint:

„Die Pfarrei und der Pfarrer sind zwei so tief miteinander verbundene Realitäten, dass sie ohne einander nicht existieren können. Die Pfarrei ist die Gestalt der Weltkirche auf einem Teilgebiet und der Pfarrer ist die Gestalt Christi, des Guten Hirten und Bräutigams der Kirche. Die Kirche ist nichts ohne Christus.“

Was heißt das?

Die Kirche besteht – so das 2. Vatikanische Konzil – auf der Lehre von der Gemeinschaft. Zu ihr führt der Weg über das Evangelium. Gemeinsam – jeder entsprechend dem Charisma, das er vom Heiligen Geist und dem Auftrag, den er von der Kirche empfangen hat – sind der Pfarrer und seine Gemeindemitglieder gesandt, die Menschen des Gebiets zu evangelisieren, das die Pfarrei bezeichnet. „Nur indem wir annehmen, was Gott aus jedem gemäß dem Geschenk der Gnade gemacht hat, und indem wir gemeinsam in einer Bewegung der Anbetung auf Christus schauen sowie auf die anderen, zu denen wir gesandt sind, um Christus zu verkünden, können wir wirklich gemeinsam vorangehen. Wir gehen also gemeinsam auf Christus zu, indem wir unsere Pfarreien zu echten eucharistischen Gemeinschaften machen.“

Und wir gehen gemeinsam auf die anderen zu, indem wir unsere Pfarreien zu echten missionarischen Gemeinschaften machen. Das Konzil verwendet den Ausdruck „kirchliche Familie“, um von der Pfarrei zu sprechen (Dekret über das Laienapostolat, 10). So begreifen wir, dass die Gemeinde weder eine Verwaltungseinheit noch eine Gebietseinteilung ist. Sie ist vor allem eine Gemeinschaft, genauer eine Gemeinschaft von Brüdern (und Schwestern), der ein Vater vorsteht. Der Pfarrer hat eine ganz besondere und unersetzbare Rolle. Er ist der „eigene Hirte“ einer Pfarrei, so wie der Bischof der „eigene Hirte“ einer Diözese ist. Das bedeutet, dass er in seinem eigenen Namen handelt in Gemeinschaft mit seinem Bischof. Er „vertritt den Bischof“, sagt das Konzil (vgl. Sacrosanctum Concilium, 42). Das Wesentliche, das man über den Bischof im Hinblick auf seine Beziehung zur Diözese sagen kann, lässt sich analog auf den Pfarrer im Hinblick auf seine Pfarrei anwenden. So ist der Pfarrer Hirte einer Pfarrgemeinschaft, die er zum Himmel zu führen hat, Bräutigam dieser Pfarrei, der er für immer gegeben ist, und Vater dieser Pfarrfamilie, über die er wacht.

Der Pfarrer ist Hirte.

Das heißt nicht, dass er alles macht und die gläubigen Laien ihm nur wie dumme Schafe zu folgen haben! Er hat nicht alle Vorzüge, Kompetenzen oder Charismen. Aber er hat den Auftrag – und die damit verbundene Gnade – erhalten, den Teil des Gottesvolks zu führen, der ihm anvertraut ist, und mit ihm zum Himmel zu ziehen, manchmal vor der Herde, manchmal in ihrer Mitte und manchmal an ihrem Ende, wie Papst Franziskus zu sagen pflegt. Trotz seiner Schwächen und seiner Sünden, die ihn auf seine notwendige Bekehrung verweisen, ist er ein Zeichen Christi, des Guten Hirten.

Der Pfarrer spielt eine ganz wichtige Rolle bei der Beurteilung der Charismen, die der Heilige Geist den Mitgliedern seiner Gemeinde zum Wohl und Wachstum der Kirche gewährt hat.

Der Pfarrer ist Bräutigam.

Der selige Alain de Solminihac, Bischof von Cahors in Frankreich im siebzehnten Jahrhundert, hat zu Ludwig XIII. gesagt: „Sire, Sie haben mir kein Bistum geschenkt, Sie haben mich einem Bistum geschenkt“. Jeder Hirte – und folglich jeder Pfarrer – sollte dasselbe von sich sagen. Trotz aller Unzulänglichkeiten von Vergleichen können wir vom Pfarrer als dem Bräutigam seiner Pfarrei sprechen. Das stellt uns natürlich Fragen hinsichtlich unserer Art und Weise, einander anzunehmen. Er ist Zeichen Christi, des Bräutigams der Kirche, der sich ihr hingegeben hat.

Der Pfarrer ist Vater.

Er ist Vater all seiner Gemeindemitglieder, auch wenn er diese Vaterschaft auf ganz besondere Weise lebt, wenn er in der Osternacht die Erwachsenen tauft. Wie der heilige Josef hinsichtlich der Jungfrau Maria entdeckt er sich selbst als glücklicher Vater derer, die seine Gemeinde mitbringt und die in ihr durch den Heiligen Geist hervorgebracht worden sind. Diese Söhne und Töchter Gottes sind ihm anvertraut, damit er seine väterliche Aufgabe wahrnehme – ohne beherrschenden Einfluss natürlich, falls das klargestellt werden muss –, sie auf ihrem Weg des Wachstums und der Freiheit zu begleiten.

Die Aufgabe des Pfarrers ist schön. Unsere Pfarreien sind schön. Die Verbindung zwischen einer Pfarrei und ihrem Pfarrer ist schön. Das ist das Geheimnis der Kirche. Diese Schönheit ist oft unter den Schichten unserer Sünde, unseres Hochmuts, unserer Konflikte oder unserer zunehmenden Erschlaffung und unseres Mangels an Eifer begraben. Wir haben die Kirche manchmal mit einer weltlichen Organisation verwechselt – wenngleich diese notwendig ist – und vergessen, dass ihre Daseinsberechtigung die Evangelisierung und ihr Zweck der Himmel ist. Und somit den Pfarrer als Verwalter einer Struktur angesehen.

Eine strahlende Gemeinde, geführt von einem Hirten, der sein Leben für sie hingibt wie ein Mann für seine Ehefrau, in der jeder sich dem Charisma entsprechend engagiert, das er vom Heiligen Geist empfangen hat, wie eine Familie, offenbart auf lokaler Ebene das Geheimnis der Kirche und entspricht ihrer Berufung, die Welt in einem Teilgebiet zu evangelisieren. Sie ist ein Licht, das nicht verborgen ist, sondern auf einem Leuchter erglänzt